COVID-19 oder “Prognosen sind schwierig,…

Michael Friedmann
4 min readApr 2, 2020

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…insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen!”

Dieses Zitat — oft gehört und gelesen, keiner weiß genau, ob wirklich von Mark Twain, verblüffend logisch und dämlich zugleich, manchmal auch richtig aber zumindest immer eine gute Ausrede! Ich möchte heute jedenfalls einen Versuch teilen, die Entwicklung der COVID-19 Pandemie aus meinem Blickwinkel darzustellen und einen vorsichtigen Ausblick zu geben.

Derzeit werden endlose Diskussionen geführt, welche Strategie die richtige ist: ob drastische Einschränkungen und Eindämmungen mehr bringen als liberalere Ansätze bzw. kluge Pfade in Richtung “Herdenimmunität”? Wir haben jetzt fast 3 Wochen Ausgangsbeschränkungen in Österreich hinter uns und es beginnt sich langsam das “New Normal” einzustellen. Warten wir also noch bis Ostern und sehen wir dann weiter…

Verständlicherweise ist die Politik extrem vorsichtig und die Medien positionieren sich zwischen verantwortungsbewusster Kommunikation und effekthascherischer Marktschreierei. Wow! USA — 200.000 Tote!

Ohne den Ernst der soziokulturellen Herdenmeinung über die nunmehr als überproportional gefährlich eingestuften Krankheit in irgendeiner Form in Erwägung zu ziehen, hatte ich zu Beginn dieses Jahres nicht nur China, sondern auch Korea und Japan besucht. Und das nicht aus böser Absicht! In China war COVID-19 Mitte Jänner noch kein großes Thema. Nach meiner Rückkehr am 16.1.2020 wurde ich jedoch in Österreich gefragt, ob es mir wohl gut gehe. “Aha! Corona! Achso… sowas wie SARS damals vor 17 Jahren.”

Dann, 3 Wochen später, ist das Thema in der Weltöffentlichkeit angekommen. Und ich habe mich vorbereitet. Mit Respekt und Vorsicht ging es zuerst nach Korea und dann nach Japan. In beiden Ländern wurde der Ansteckungsgefahr durch vielerlei Maßnahmen (Masken, permanentes Temperaturmessen, Händewaschen und ausreichend Desinfektionsspender an jedem Ein- und Ausgang) hochprofessionell entgegengewirkt.

H2 Produktion in Ulsan Korea, Mitte Frebruar 2020

Anfang März zurück in Österreich war dann fast alles schon anders und die Ereignisse überschlugen sich. Das Gefühl in Asien war geprägt von geübter Herangehensweise und einer Kultur des gegenseitigen Respektes, die sich ohnehin schon über Jahre bis Jahrzehnte durch die Benutzung von Masken in der Öffentlichkeit als Zeichen der Höflichkeit und Achtsamkeit den anderen gegenüber auszudrücken versuchte. Klar war, die Maske schützt vor allem den anderen!

Japan beim Einstieg in den Shinkansen, Ende Februar 2020

In Österreich wird nun der Umgang damit erstmals geübt. Die Maske wird sich nach einigen Tagen als ganz normales Untensil, das einfach persönliche Sicherheit gibt, Einzug in unser Leben nehmen. Wie gesagt, es gilt jedoch: “Die Maske schützt nicht mich, sondern mein Umfeld!”

Aber nun zur Prognose! Ich beziehe mich hier nur auf veröffentlichte Zahlen, die zumeist von der WHO stammen und möchte auch nicht in die Diskussion einsteigen, wie repräsentativ diese Zahlen überhaupt sind bzw. ob sie stimmen. Ich nehme den pragmatischen Ansatz und sage: “Sie sind verfügbar.” Das internationale Zahlenmaterial ist der Website von worldometers entnommen; jenes für Österreich der Website des Sozialministeriums.

Wie hat sich die Entwicklung in China und Korea zugetragen? Ich meine sehr ähnlich: in beiden Ländern von jeweils einem sogenannten Hotspot ausgehend (Wuhan und Daegu) hat sie sich dann langsam über das ganze Land verteilt. Die Entwicklung der gemessenen Infektionen folgte einem ähnlichen Verlauf. Ab einem gewissen Zeitpunkt, der bei ca. 25% täglicher Zuwachsrate gelegen hat, ging es in China langsamer mit ca. 1,5 Prozentpunkten und in Korea mit sogar 3 Prozentpunkten täglich nach unten.

Entwicklung der täglichen Zuwachsraten an gemessenen Infektionen
Entwicklung der täglichen Zuwachsrate an gemessenen Infektionen

In beiden Ländern kann beobachtet werden, dass ab einer täglichen Zuwachsrate von nur mehr 2 bis 3% die weitere tägliche Abnahme der Zuwachsrate moderat linear verläuft: in China mit einer “Steigung” von k=-0,25 und in Korea etwas steiler mit k=-0,5.

Selbst in Italien und Spanien geht es derzeit mit ca. 0,8 bzw. 1,1 Prozentpunkten täglich bergab.

Und was bedeutet das für Österreich? Seit dem 18.3.2020, als der fünftägige Durchschnitt der Zuwachsraten erstmals unter 30% fiel (exakt 26,8%), sehen wir eine Reduktion von durchschnittlich ca. 1,5 Prozentpunkten pro Tag.

Entwicklung der täglichen Zuwachsrate an gemessenen Infektionen

Ähnlich wie in China oder Korea bin ich bei der Berechnung einer Prognosekurve ab einer täglichen Zuwachsrate von 2 bis 3% von einer moderateren Abnahme mit einer Steigung von k=-0,3 ausgegangen. Dieser Wert liegt näher beim chinesischen Wert von k=-0,25 und ist jedenfalls konservativer als jener, den Korea mit einer Steigung von k=-0,5 in dieser “Ausklingphase” erreicht hat. Dies lässt auf folgenden möglichen Verlauf schließen:

Entwicklung der Infektionen in Österreich; blau: tatsächliche Kurve, grau: Prognose

Das Gute daran ist, dass die tatsächliche Kurve, die unter der berechneten Prognosekurve liegt, wirklich Mut für Optimismus zulässt! Optimismus, der die Vermutung nahe legt, dass zu Ostern der Höhepunkt der Infektionen mit einer Anzahl von ungefähr 14.000 gemessenen Fällen erreicht ist.

Ich möchte ja nicht über ungelegte Eier sprechen, aber wünschen tu ich mir schon einen Osterhasen, der uns ein Ende der Corona Krise ins Osternest legt und wir mit allem was wir in diesen Wochen gelernt haben (mehr Achtsamkeit, mehr Familie, mehr Selbstreflexion und Entwicklung und vielleicht etwas weniger Konsum, Lifestyle und Globalisierung) in eine neue Zeit aufbrechen können. Und vor allem endlich wieder Oma und Opa besuchen dürfen!

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Michael Friedmann
Michael Friedmann

Written by Michael Friedmann

Born 1968 in Graz. Master degree in chemical engineering. Founder of the Institute for Clean Technology. Loving my wife, my 2 kids and our planet!

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